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Aufsatz: 20 Jahre Bundesdenkmalpolitik zum Nationalsozialismus. Von der Neuen Wache bis zum Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde

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Volker Wild

in Zusammenarbeit mit Jan Ferdinand

 

Einleitung

Zwischen 1993 und 2014 hat der Bund in Berlin fünf Denkmäler errichtet, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern: die zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland in der Neuen Wache (1993), das Denkmal für die ermordeten Juden Europas (2005), das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen (2008), das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas (2012) und die Gedenk- und Informationsstätte für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde (2014). Diese fünf Denkmäler bilden ein Ensemble: Sie thematisieren den Nationalsozialismus[1] und wurden alle auf Beschluss eines Bundesorgans nach der Wiedervereinigung 1989 in der Mitte der Hauptstadt Berlin errichtet. Sie erheben einen gesamtstaatlichen und bilanzierenden Geltungsanspruch: mit ihnen erweist die ganze Republik allen Opfern der jeweiligen Opfergruppe ihre Reverenz.

Ziel dieses Beitrages ist es, die Gestaltungsmerkmale der Denkmäler aus ihrer Entstehungsgeschichte zu rekonstruieren, sodass Geschichtsbilder und politische Intentionen der Akteure deutlich werden. Dabei wird zwischen der „kurzen Entstehungsgeschichte“ von der ersten Idee bis zur Übergabe des Denkmals und der „langen Entstehungsgeschichte“ in der Form der Opferdiskurse und -politiken seit 1945 unterschieden. Die Opfer auf der deutschen Seite und die jüdischen Opfer galten früh als anerkannt, die Opfer der Sinti und Roma, der Homosexuellen und der „Euthanasie“-Morde dagegen als „vergessene Opfer“, ein Begriff, der in den 1980er Jahren in die Vergangenheitsdebatten einwanderte. Erst mit Blick auf die lange Entstehungsgeschichte werden wichtige Unterschiede zwischen den Denkmälern beider Gruppen verständlich.

Um die Denkmäler vergleichen zu können und ihre Unterschiede sichtbar werden zu lassen, beschränkt sich die Untersuchung auf wenige allen Denkmalgestaltungen gemeinsame Merkmale, an denen Geschichtsbilder und politische Intentionen in besonderer Weise ablesbar sind.

Erstens werden das Thema und der zeitliche Fokus des Denkmals untersucht. Zu fragen ist, ob die Denkmäler allein die NS-Verbrechen thematisieren oder auch die Vor- und Nachgeschichte des Nationalsozialismus einbeziehen und damit den Umgang der Bundesrepublik mit den Opfern nach 1945 bzw. 1949 behandeln. Werden auch die Gegenwart und diejenigen Einstellungen angesprochen, die immer noch den Boden sozialer und rechtlicher Ausgrenzung bilden?

Zweitens geht es um das Verhältnis von emotionalisierenden, informierenden und reflexiven Gestaltungselementen: Ist die Gestaltung in besonderer Weise geeignet, eine emotionale Wirkung beim Betrachter zu erzeugen, oder will sie in erster Linie informieren? Soll der Betrachter veranlasst werden, sein eigenes Geschichtsbild und seine persönliche Einstellung infrage zu stellen?

Drittens werden in Anlehnung an narratologische Kategorien Sprecher und Mitteilung untersucht. Denkmäler werden hierbei als Kommunikationen verstanden, in denen sich Sprecher an ein imaginiertes Publikum richten. Sprecher sind in der Regel die, die das Denkmal initiiert, politisch durchgesetzt und maßgeblich die Grundzüge seiner Gestaltung beeinflusst haben. Aus ihren Vorstellungen und Intentionen erschließt sich die Mitteilung des Denkmals. Wer Sprecher des Denkmals ist und was dessen Mitteilung, ergibt sich letztlich aus dem entstehungsgeschichtlichen Kontext in Verbindung mit der Gestaltung des Denkmals.

Die komparative Studie soll zeigen, wie unterschiedlich, oft sogar unvereinbar die Erinnerungskonstruktionen sind, die den fünf Denkmälern zugrunde liegen, und wie sehr die Vergangenheit noch immer ein umkämpftes Terrain ist.

 

„Von der großen Mehrheit des Volkes akzeptiert“. Die Neue Wache

Die wesentlichen Gestaltungselemente der Neuen Wache sind die Widmungsinschrift, die Skulptur „Mutter mit totem Sohne“ von Käthe Kollwitz und der Innenraum mit dem offenen Oberlicht. Thema ist das Gedenken an die Opfer des Ersten Weltkrieges, des Zweiten Weltkrieges sowie an die Opfer der NS-Diktatur und der SED-Diktatur. Dabei soll jeweils der eigenen deutschen Opfer wie auch aller anderen Opfer, also auch der Opfer deutscher Verbrechen gedacht werden. Die Formel dazu heißt: „Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“.[2]

Als die Gedenkstätte 1993 eingeweiht wurde, verstand der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl ihre Umgestaltung als ein symbolpolitisches Ergänzungsstück zur wiedergewonnenen Einheit, als eine nationale Sinnstiftung. Es sollte ein protokollarischer und emotionaler Schlussstein des Einigungswerkes werden. „Unsere Hauptstadt braucht eine zentrale Mahn- und Gedenkstätte“, sagte Kohl der FAZ. „Ich habe an meine Mutter gedacht und an meinen Bruder, der gefallen ist. Ich habe an die vielen Frauen gedacht, deren Söhne und Ehemänner Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft wurden.“[3]

Bereits Mitte der 1980er-Jahre hatte die Koalition unter Kohl versucht, die seit langem bestehende provisorische zentrale Gedenkstätte in Bonn durch eine große Weihehalle am Rheinufer zu ersetzen und sie gemäß der seit 1964 bestehenden offiziellen Formel „Den Opfern der Kriege und der Gewaltherrschaft“ zu widmen. Das Vorhaben scheiterte unter anderem daran, dass seit der Rede Richard von Weizsäckers am 8. Mai 1985 die verschleiernde Abstraktheit der Formel nicht mehr akzeptabel war und die SPD verlangte, die einzelnen Opfergruppen zu nennen und dabei die Opfer der NS-Verbrechen, vor allen Dingen die jüdischen Opfer, hervorzuheben.[4] Kohl, dessen Autorität in Fragen der Geschichts- und Denkmalpolitik in seiner Partei unangefochten war,[5] ließ daraufhin den Plan fallen.

Um nach der Wiedervereinigung ein erneutes Scheitern der Ehrenmalpläne zu vermeiden, setzte Kohl seine Umgestaltungspläne am Bundestag vorbei um.[6] Statt den Opfern der Kriege und der Gewaltherrschaft wurde die Gedenkstätte den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft gewidmet.[7] Kohl erklärte, er wolle mit der Formulierung nicht „mehr ins Detail gehen“. Denn damit geriete man „in die ganzen Irrgärten der modernen deutschen Geschichte.“ Seit Gründung der Bundesrepublik hätten „alle Bundespräsidenten eine Formulierung gewählt, die von der großen Mehrheit des Volkes akzeptiert und richtig verstanden wurde“.[8] Damit markierte er die Maßstäbe, an denen sich seine Gedenkpolitik orientierte.

Kohl knüpfte mit der Umgestaltung der Neuen Wache an drei staats- und symbolpolitische Traditionsstränge an. Mit der Schinkelschen Wache wird an Preußen und die Tradition des Deutschen Reiches, als deren Rechtsnachfolgerin sich die Bundesrepublik verstand, erinnert. Mit der Anlehnung der Gestaltung des Innenraums an die von Heinrich Tessenow entworfene „Gedächtnisstätte für die Gefallenen des Weltkrieges“ von 1931 wird die Tradition des deutschen Kriegsopfergedenkens aufgenommen. Und schließlich betont die von Käthe Kollwitz als Pietá bezeichnete Skulptur „Mutter mit totem Sohn“ die christlichen Bezüge konservativer Traditionspflege.

Nach der Übergabe der Gedenkstätte, die am 14. November 1993 unter dem Protest von Demonstranten stattfand,[9] besuchte Kohl die Neue Wache und registrierte mit „große[r] Genugtuung“, „wie gesammelt und ergriffen die Leute die `Mutter mit totem Sohn´ betrachten“.[10] Sein Berater Christoph Stölzl kommentierte diese Wirkung rückblickend so: Wenn das Denkmal „funktioniert, dann hat es eine Aura von Stille, von Eindruck, ich will nicht sagen von Einschüchterung, aber doch eine Botschaft an die Betrachter, die immerhin ankommt: Seid mal still“.[11]

Der Blick des Betrachters geht zuerst auf die trauernde Mutter, die sich in ihren Schmerz über den Verlust des Sohnes versenkt. Käthe Kollwitz hatte die Plastik in weit kleinerem Format 1937 in Erinnerung an ihren Sohn Peter geschaffen, der im Ersten Weltkrieg gefallen war. Die Stille und erhabene Schlichtheit des Tessenowschen Raumes funktioniert als Resonanzraum für die Trauer der Mutter und verstärkt deren Wirkung auf den Betrachter. Und die abstrakte Widmungsformel vermeidet jede Irritation, die die überwältigende Wirkung des Ganzen stören könnte.

Hinter den emotionalisierenden Elementen der Gestaltung verschwinden die wenigen informierenden Elemente der Gedenkstätte. Sie beschränken sich auf die beiden Bronzetafeln im Außenbereich, die erst nachträglich auf Druck der Opfergruppen in die Planung aufgenommen worden waren und von der Mehrzahl der Besucher schon ihrer Lage wegen übersehen werden. Die eine informiert über die fast zweihundertjährige Bau- und Nutzungsgeschichte der Neuen Wache, die andere enthält den Katalog der Opfer, denen die Gedenkstätte gewidmet ist. Er ist dem Opferkatalog der Rede Richard von Weizsäckers vom Jahre 1985 nachgebildet, allerdings mit bezeichnenden Umstellungen und der Ersetzung spezifischer durch unspezifische Wendungen. An der Spitze stehen nun wieder die Opfer der Völker, vor allem die Kriegsopfer, erst danach kommen die Opfer des Völkermordes an den Juden und die anderen Opfer der NS-Massenverbrechen. Von Tätern ist keine Rede, auch das Wort Nationalsozialismus kommt nicht vor, dafür aber der Hinweis auf die „totalitäre Diktatur nach 1945“.

Reflexive Gestaltungselemente fehlen in der Gedenkstätte vollständig. Dissonanzen, die den Betrachter veranlasst hätten, seine eigene Position im Geflecht der historischen Opferkonstellation zu reflektieren, wären mit der Gesamtkonzeption unvereinbar gewesen. Sie hätten das diffuse Sentiment, auf das die Gedenkstätte zielt, zerstört.

Die Neue Wache ist eine nationale Gedenkstätte, doch das Geschichtsbild, das sie transportiert, und die Erinnerungspolitik, der sie dient, sind die der damaligen Bundesregierung, zumal die Gedenkstätte ohne breite öffentliche Debatte realisiert wurde. Ihre Mitteilung erschließt sich am deutlichsten aus der Widmung. Mit der integrativen Gedenkformel, die alle Opfer einschließt, ganz gleich wofür und weswegen sie starben, werden die deutschen Kriegstoten zu victima, zu unschuldigen passiven Gewaltopfern umgedeutet, wohingegen die Opfer der NS-Verbrechen durch ihre gemeinsame Ehrung mit den deutschen Toten zu sacrificia, also zu Opfern gemacht werden, deren Bereitschaft, ihr Leben zu riskieren, einem höheren Zweck diente und die daher einer Ehrung würdig sind.[12] Damit wird die Widmung zu einer doppelten Absurdität. Durch die noch größere Allgemeinheit und Abstraktheit der Berliner gegenüber der alten Bonner Formel werden die Spuren dieser Tauschvorgänge endgültig verwischt. Als Botschaft des Denkmals bleibt: Wir waren alle Opfer. Als solche verdienen alle Toten unterschiedslos unser Mitleid und unser ehrendes Angedenken.

Kohl knüpfte mit der Neuen Wache an das deutsche Selbstverständnis der Adenauerzeit an und belebte ein Geschichtsbild, das in großen Teilen der Gesellschaft durch lange, oft schmerzhafte Prozesse der Selbstaufklärung überwunden war.[13] Konrad Adenauer hatte den Nationalsozialismus als „Episode“ [14] der deutschen Geschichte bezeichnet und „zwischen `der Partei´, die […] für alle Übel verantwortlich war, und `dem Staat´ beziehungsweise auch dem `Volk´ [getrennt], welche der Katastrophe des Nationalsozialismus unbefleckt entstiegen seien“.[15] Die Dichotomie von „den Nazis“ und „dem deutschen Volk“ behielt Kohl bei, auch wenn er die klare Sprache Adenauers vermied. Nach Aussage von Christoph Stölzl hat die Politikergeneration, die nach Adenauer die deutsche Politik dominiert hat, mit der Neuen Wache ihr „Abschlussdenkmal“ mit einer „Figur von höchster allgemein-menschlicher Aussage“ errichtet.[16]

 

„Die schwerste Last Deutschlands“[17]. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Das Denkmal besteht aus dem Stelenfeld und einem darunter angelegten Ort der Information. Gedenken und Informieren sind damit getrennt. Von den geschätzten drei Millionen Besuchern im Jahr suchen ca. 460.000 den Ort der Information auf.[18] „Eines Tages“, schreibt die Initiatorin des Denkmals Lea Rosh, „kam ich aus Israel und brachte ein Thema mit“.[19] Das Thema war der Genozid an den Juden. Der Aufruf der von Rosh mitinitiierten Bürgerinitiative „Perspektive Berlin“ vom Januar 1990 fand breite Unterstützung bei prominenten Politikern, Intellektuellen und Industriellen. Es sollte ein unübersehbares Denkmal von nationalem Rang werden und sowohl an die Opfer als auch an die Tat erinnern.[20] Niemand hatte diese Forderung zuvor erhoben.

Die Akzente des nationalen Gedenkens waren seit den späten 1970er-Jahren zunächst anders gesetzt worden. Während die Bundesregierung noch an dem konservativen Nachkriegsdiskurs festhielt, entwickelte sich in der jüngeren Generation ein alternativer Diskurs, der die Gleichsetzung von Opfern und Tätern und die dichotomische Vorstellung von „den Nazis“ auf der einen und „den Deutschen“ auf der anderen Seite kritisierte. Es entstanden Projekte, die genauer nach den Tätern fragten, sich mit der Geschichte vor Ort befassten und damit mit der Frage, wie die Verfolgung im Alltag aussah und wie sich die Mehrheit der Deutschen in diesen Jahren verhielt.[21] Nicht zuletzt sollte damit die Frage aufgeworfen werden, wie weit die Vergangenheit hinter dem Schutz der Verdrängung weiterlebte. Doch diesen Weg ging Lea Rosh mit ihrem Projekt nicht mit. Das lag an ihrer Identifikation mit den jüdischen Opfern und daran, dass sie eine ähnliche intentionalistische Deutung des Holocausts vertrat wie ihr wissenschaftlicher Berater Eberhard Jäckel, der die Vernichtung der Juden der konsequenten Umsetzung eines von Hitler von Anfang an verfolgten Planes zuschrieb.[22]

Neben dem Förderverein gehörten die Bundesregierung und das Land Berlin, vertreten durch den Senat, zu den Auslobern des Vorhabens. Kohl konnte die starke Unterstützung, die es in der Öffentlichkeit fand, nicht ignorieren. Ausschlag gebend für seine Zustimmung war möglicherweise, dass der Vorsitzende des Zentralrats der Juden Ignatz Bubis ihm zusicherte, seine Opposition gegen die Neue Wache aufzugeben, wenn Kohl seinerseits versprach, das Rosh-Projekt zu realisieren.[23] Der Berliner Senat dagegen stand dem Projekt abwartend bis ablehnend gegenüber. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen wollte verhindern, das Berlin eine „Hauptstadt der Reue“ würde.[24]

Die Gestaltung des Denkmals durch den Architekten Peter Eisenman weckt vielfältige Assoziationen. Für die einen ist das Feld eine riesige Grabanlage, andere erinnern die grauen Stelen in ihrer starren Ordnung an die Kälte und Unmenschlichkeit des NS-Vernichtungsapparates, viele empfinden beim Gang durch die Reihen Beklemmung und Verunsicherung. Wer dagegen aus der Höhe über die Anlage blickt, meint das tröstliche Wogen eines Kornfelds erkennen zu können. Die Kunstkritiker Stefanie Endlich und Rainer Höynck nannten das Werk ein „affektives environment“.[25]

Eisenmans Äußerungen legen solche Deutungen nahe. Im Erläuterungsbericht zu seinem Entwurf nannte er sein Werk eine „ Zone der Instabilität“[26] und zog Parallelen zu der Situation der Opfer beim Gang in die Gaskammern: „Man braucht kein bestimmtes Wissen, es hat nichts zu tun mit Verstehen […]. Im Raum des Mahnmals wird der Körper etwas spüren.“[27] Ob mehr die Bilder, die das Denkmal hervorruft, oder die Körperwahrnehmung, die es auslöst, die Besucher beeindrucken, in jedem Fall geht von dem Denkmal eine starke emotionalisierende Wirkung aus. Die Auslober hatten eine solche Wirkung auch beabsichtigt. In der Auslobung schrieben sie: „Heutige künstlerische Kraft soll die Hinwendung in Trauer, Erschütterung und Achtung symbiotisch verbinden mit der Besinnung in Scham und Schuld.“[28]

Hinter der starken emotionalen Wirkung treten die informierenden Elemente zurück. Der Ort der Information beruht zwar auf nüchterner historischer Recherche über die Vernichtung der europäischen Juden, doch seine architektonische Ausgestaltung, die Art der Präsentation der Exponate und die Lichtführung erinnern an eine Gruft: dunkel, mit sakraler Ausstrahlung, die Decken bilden das Muster der über den Räumen liegenden Stelen ab, mehr ein Ort der Andacht und erneuter Überwältigung als ein Raum der Reflexion.[29]

Von einer Botschaft des Denkmals zu sprechen, fällt angesichts einer fehlenden Inschrift, der Abstraktheit der Gestaltung, der breiten Streuung der Assoziationen, die es weckt, der diffusen Angaben der Ausschreibung und der sehr unterschiedlichen Intentionen der Hauptakteure schwer. Jedoch lassen sich zwei miteinander verbundene zentrale Vorstellungen rekonstruieren. Das Denkmal unterstreicht schon mit seiner imposanten Größe in zentraler Lage und im Vergleich zu den überschaubaren Dimensionen der übrigen NS-Opfer-Denkmäler die Einzigartigkeit des Völkermordes an den Juden und steht zugleich mit der Sprachlosigkeit seiner Gestaltung für die Unvorstellbarkeit des Verbrechens. In der Betonung beider Aspekte liegt gewiss die von den Beteiligten angestrebte Ehrungsgeste gegenüber den Opfern.

Darüber hinaus äußern sich im Denkmal unterschwellig drei unterschiedliche, doch untereinander anschlussfähige Vorstellungen der entscheidenden Akteure. Sie lassen sich unter dem Stichwort „Normalisierung“ zusammenfassen. Kohl verfolgte nicht erst seit der Wiedervereinigung, aber durch sie bestärkt das Ziel, das deutsche politisch-historische Selbstverständnis zu normalisieren. Die Vergangenheit sollte zwar nicht vergessen, doch abgeschlossen und eingekapselt werden. Kohl favorisiert zwar den Entwurf von Eisenman/Serra, hatte aber offensichtlich noch Einwände gegen dessen „Monumentalität“.[30] Er wollte eine „Wunde“ in der Stadt vermeiden.[31] Nach einem Gespräch mit den beiden Künstlern im Mai 1998 kam es zu einer Entdramatisierung des Entwurfs.[32] Zahl und Höhe der Stelen wurden massiv reduziert und das Stelenfeld so verkleinert, dass die Fußgänger nicht länger gezwungen waren, durch die Anlage zu gehen.[33] Dadurch und durch die Begrünung mit Bäumen am Westrand des Feldes wirkt heute das Denkmal versöhnlicher, weniger konfrontativ und weniger anklagend.

Lea Rosh ihrerseits wollte die Beziehung zwischen Deutschen und Juden normalisieren. Sie brachte den Genozid damit in Verbindung, dass die Deutschen die Juden als „die anderen“ gesehen hatten. Diese sollten nun wenigstens als Tote in einem Akt symbolischer Reintegration einen Ort in Berlin finden. Im ersten Wettbewerbsdurchgang favorisierte sie die riesige Grabplatte der Architektin Jackob-Marks, denn es ginge darum, die „Ermordeten noch einmal mit Namen zurückzuholen“.[34] Es entbehrte nicht einer gewissen Logik, dass Rosh bei der Eröffnungsfeier erklärte, sie beabsichtige in einer der Stelen eine „Real-Bestattung“ eines Zahnes, den sie im Vernichtungslager Bełżec gefunden hatte.[35]

Eisenman ist der Meinung, die Deutschen sollten sich nicht länger schuldig fühlen: „I wanted to normalize German feelings.“[36] Daher solle das Denkmal an nichts erinnern. Er weiß um die vielfältigen Assoziationen, die das Stelenfeld hervorruft. Doch das Denkmal ist für ihn „a free floating signifier“.[37] Wenn in hundert Jahren ein ahnungsloser Besucher über die Bedeutung dieser steinernen Zeugen rätsele, dann sei das der Moment, auf den es ihm ankomme: die Erinnerung zu bewahren, ohne über den Holocaust selbst eine Aussage zu treffen. Die ungezwungene Art und Weise, in der das Denkmal heute dazu genutzt werde, ein Sonnenbad zu nehmen oder herumzutollen, verstöre ihn nicht. Er habe solche Reaktionen nicht beabsichtigt, aber „it is a wonderful thing that these people come to express themselves“. Dass die Deutschen dieses Denkmal errichtet hätten, „has something to do with an attempt to be forgiven“.[38]

Insgesamt wirken die Normalisierungsintentionen in Richtung auf eine Neutralisierung der Aussage und eine Anonymisierung der Autoren des Denkmals. Darin unterscheidet es sich von den drei Denkmälern für die „vergessenen Opfer“.

So groß der Unterschied zwischen der Neuen Wache und dem Denkmal für ermordeten Juden Europas ist, ihr Vergleich zeigt, dass es eine Reihe von Gemeinsamkeiten gibt. Bei beiden spielte die Bundesregierung unter Helmut Kohl eine wichtige Rolle. Beide Denkmäler behandeln die geschichtlichen Ereignisse als abgeschlossene Vergangenheit, versuchen ihr Publikum vor allem über starke Gefühle anzusprechen und lassen die Frage nach der Rolle der Deutschen im Nationalsozialismus unbeantwortet. Schließlich erinnern beide Denkmäler an Opfer, die in der Bundesrepublik von Anfang an anerkannt und ins offizielle Opfertableau integriert waren – die Deutschen und die Juden –, so grundverschieden ihr Opferschicksal war. Für die Alliierten war die Anerkennung der jüdischen Opfer ein Prüfstein der Demokratie.

Homosexuelle, Opfer der „Euthanasie“ und Sinti und Roma wurden dagegen frühzeitig ausgegrenzt. Christian Reimesch spricht von einem „numerus clausus der Verfolgungsgründe“.[39] Bereits die Alliierten, die maßgeblichen Einfluss auf die deutsche Entschädigungspolitik ausübten, hatten den Begriff des Opfers nationalsozialistischer Verfolgung eng gezogen, einerseits weil sie eine finanzielle Überforderung Deutschlands fürchteten, zum anderen weil auch in ihren Staaten Homosexuelle, Behinderte und „Asoziale“ diskriminiert wurden. In Deutschland resultierte die Ausgrenzung der Homosexuellen, der Sinti und Roma und der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten „aus fortwirkenden gesellschaftlichen Vorurteilen“ und aus dem Wissen der staatlichen Stellen, dass „Einsparungen“ bei diesen Gruppen im Ausland wie in Deutschland auf Verständnis stießen. „Viele NS-Verfolgte blieben […] für Jahrzehnte ohne öffentliche Stimme.“[40]

Das änderte sich erst in den 1970er und 80er Jahren: die Schwulenbewegung gewann an Mut und öffentlicher Resonanz, die Sinti und Roma bildeten einen Zentralrat und auch die Angehörigen der Opfer der „Euthanasie“-Opfer schlossen sich zusammen. In den 1980er-Jahren erreichten die Forderungen der vergessenen Opfer den Bundestag.[41] Die Debatte um das Denkmal für die ermordeten Juden löste schließlich auch Forderungen der anderen Opfergruppen nach Denkmälern aus. Das Denkmal für die jüdischen Opfer hatte einen Automatismus in Gang gesetzt hatte, der nicht mehr aufzuhalten war. [42]

 

„a sign of pride“. Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen

Die wichtigsten Elemente des Denkmals sind sein grauer Korpus in Gestalt einer Stele, ein im Abstand einiger Jahre wechselnder Videofilm, der auf einen in die Außenwand der Stele eingelassenen Monitor projiziert wird, und eine Tafel, die über die Verfolgung des Homosexuellen im NS und ihre Diskriminierung nach 1945 informiert. Anders als bei allen anderen Denkmälern bilden beim Denkmal für die verfolgten Homosexuellen nicht Verfolgung und Opferschicksale das Thema, sondern die homophoben Vorurteile, die die heterosexuelle gesellschaftliche Mehrheit auch heute noch gegenüber den Homosexuellen hat und die zur sozialen Ausgrenzung von Homosexuellen führen. Dementsprechend liegt der zeitliche Fokus des Denkmals auf der Gegenwart. Die Vergangenheit spielt nur als Hintergrund eine Rolle, vor allem in Gestalt der grauen Stele, die auf das benachbarte Denkmal für die ermordeten Juden verweist, und durch die knappen Angaben der Infotafel über die Verfolgungen im NS.

Themenstellung und zeitlicher Fokus lassen sich nur vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Homosexuellen in den Jahrzehnten nach 1945 erklären, in denen sie weiter diskriminiert und verfolgt wurden. Noch bis 1969 galt in der Bundesrepublik § 175 StGB, den die Nationalsozialisten wesentlich verschärft hatten. Der Bundesgerichtshof urteilte, der Paragraph sei rechtsstaatskonform und diene nicht „der Verwirklichung nationalsozialistischer Ziele oder Gedanken“.[43] Das Bundesverfassungsgericht entschied 1957, Homosexualität verstoße gegen das grundgesetzlich geschützte Sittengesetz, für das „die sittlichen Anschauungen des Volkes“ maßgeblich seien.[44] Greife die „Verirrung“ weiter um sich, führe dies „zur Entartung des Volkes und zum Verfall seiner Kraft“.[45] Zwischen 1950 und 1965 wurden ca. 45.000 Homosexuelle nach § 175 verurteilt, fast so viele wie während der NS-Zeit.[46] Erst 2002 hob der Bundestag die NS-Urteile nach § 175 gänzlich auf.

Im Zuge der allgemeinen Veränderung der gesellschaftlichen Sexualmoral entwickelte sich seit Ende der 1960er Jahre eine Schwulenbewegung, die offensiv für ihre Rechte eintrat. Zuvor hatten die Homosexuellen erleben müssen, dass sich die alten gegen sie gerichteten Vorurteile nicht durch die Erinnerung an ihre Misshandlungen in der NS-Zeit und durch humanitäre Appelle durchbrechen ließen, sondern nur durch ein oftmals als provokant empfundenes Coming out.[47]

Veranlasst durch die Debatten um die Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas, gründete sich 1993 in Berlin die „Initiative Schwulendenkmal“. Die Initiative fand Unterstützung in der Politik, nicht zuletzt bei homosexuellen Politikern wie dem Berliner Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Die Initiatoren des Denkmalprojekts haben aus den Erfahrungen der Homosexuellen-Bewegung die Konsequenz gezogen, homophobe Vorbehalte offensiv anzusprechen. Das Denkmal sollte „keinen Schlussstrich unter die öffentliche Debatte“ ziehen, sondern ein Entwurf sein, „mit dem etwas (Ver)-Störendes, also der Ärger, erst beginnt“.[48]

Schon die fehlende Inschrift am Denkmal, die zunächst befremdende Übernahme der Stelenform und das Fehlen einer Infotafel unmittelbar neben der Stele – all diese Faktoren lösen beim Betrachter Fragen und Irritationen aus. Die Videos zeigen den Austausch von Zärtlichkeiten unter Homosexuellen,[49] manchmal auch die Reaktionen der Öffentlichkeit. Sie konfrontieren den Betrachter mit seinen eigenen Einstellungen gegenüber Homosexuellen und erlauben ihm zugleich deren kritische Reflexion. Wer die Videos sieht, spiegelt sich in der Scheibe des Monitors. Die Konstruktion des Denkmals macht Selbstreflexion zu seinem zentralen Element.

Die informierenden Elemente beschränken sich auf die kleine Tafel auf dem Weg zum Denkmal, emotionalisierende Elemente fehlen völlig.

Während noch bis in die jüngste Geschichte Rechtsprechung, öffentliche Meinung und mediale Berichterstattung Homosexualität als Verstoß gegen die sittlichen Normen, als krankhaft und kriminell definierten, ist die Botschaft des Denkmals: Nicht die Homosexuellen sind das Problem, sondern die Gesellschaft, die sie diskriminiert. Sie erinnert an den Titel eines Films, den der Aktivist und Filmemacher Rosa von Praunheim Anfang der 1970er Jahre herausbrachte: „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“. Das große Selbstbewusstsein dieser Botschaft äußert sich bereits in der Unbedenklichkeit, mit der die Künstler sich die Stelenform des Denkmals für die ermordeten Juden Europas zu eigen machten, sie ins Überformatige vergrößerten, noch ein wenig schräger stellten und den Tabubruch begingen, sonst eher verborgene homosexuelle Zärtlichkeiten im Kontext eines Gedenkens an NS-Opfer zu zeigen. Dahinter steht die Frage: Was soll daran nicht normal sein? Albert Eckert, einer der Initiatoren des Projekts, bezeichnete das Denkmal als „sign of pride“.[50] Der offensive Gestus ist das Erkennungszeichen der heutigen Schwulenbewegung.

Sprecher der Botschaft sind die schwulen Aktivisten selbst. Sie hatten die wesentlichen inhaltlichen Vorgaben des Beschlussantrages des Bundestages formuliert. Weil der Bund sich nicht weiter engagierte, kümmerten sie sich weitgehend selbst um den Wettbewerb und suchten Künstler in einem offenen Bewerbungsverfahren aus, darunter auch Michael Elmgreen und Ingar Dragset, die schließlich den Wettbewerb gewannen.

 

Unrecht und Trauer. Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas

Kein Denkmal des Ensembles ist so facettenreich, spricht so viele Themen an, arbeitet mit so vielen Zeitebenen und künstlerischen Ausdrucksformen wie das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas. Seine wichtigsten Elemente sind ein Wasserbecken mit einem schwarzen Stein in der Mitte, auf dem eine frische Blume liegt, vier transluzente Scheiben mit Zitaten von Helmut Schmidt und Roman Herzog zum Völkermord an den Sinti und Roma und eine Wand von 13 gläsernen Schrifttafeln, auf denen die Geschichte der Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus chronologisch dargestellt ist. Thema des Denkmals ist die Geschichte der Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma in der NS-Zeit sowie deren nach 1945 fortgesetzte Verfolgung, Diskriminierung und Nichtanerkennung als NS-Opfer.

Die Chronologie umreißt die wichtigsten Stationen des Weges der Sinti und Roma in die Vernichtung in den zwölf Jahren der NS-Herrschaft von den ersten Einweisungen in die Konzentrationslager 1933 bis zu den Erschießungen durch die Einsatzgruppen im Osten und zu den Morden in den Vernichtungslagern.

Die Zitate von Helmut Schmidt und Roman Herzog werden nur verständlich im Kontext der Geschichte des Umgangs der Bundesrepublik mit den Sinti und Roma. In einer Grundsatzentscheidung attestierte der Bundesgerichtshof den Sinti und Roma 1956 einen „ungehemmten Okkupationstrieb“ und entschied, dass von einer Verfolgung aus „rassischen“ Gründen erst ab dem Einsetzen der Massendeportationen 1943 gesprochen werden könne.[51] 1963 wurde dieser Zeitpunkt auf den Himmler-Erlass 1938 vorverlegt, der „die Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser Rasse heraus“ vorsah, und damit die vorangegangene Verfolgung als berechtigte kriminalpolizeiliche Maßnahmen qualifizierte. Die Verfolgung der Sinti und Roma nach 1945 zeigte erschreckende Kontinuitäten zur NS-Zeit. Die Bezeichnungen der Dienststellen wechselten, doch die Strukturen der „Zigeunerbekämpfung“ änderten sich kaum. Trotz mancher Bedenken von politischer und juristischer Seite konnten die alten „Zigeunerspezialisten“ mit denselben Karteien und nach kaum veränderten Verordnungen vielfach weiterarbeiten.[52]

Verfolgungsmaßnahmen und fortgesetzte Demütigungen hinderten die Sinti und Roma lange Zeit, sich zu organisieren und erfolgreich zur Wehr zu setzen. Das änderte sich, als 1980 in einer viel beachteten Aktion Sinti-Bürgerrechtler im ehemaligen KZ Dachau in den Hungerstreik traten und sich 1982 der Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma gründete.[53] Helmut Schmidt reagierte darauf mit dem Empfang einer Delegation des Verbandes. Seine Erklärung, die Verbrechen an den Sinti und Roma im NS erfüllten „den Tatbestand des Völkermordes“, war ein wichtiger, aber, wie sich zeigen sollte, noch nicht ausreichender Schritt auf dem Weg der Anerkennung.[54]

Die Sinti und Roma wurden auch weiterhin als Opfer zweiter Klasse behandelt. In den Debatten um das Denkmal für die ermordeten Juden Europas nach 1989 entwickelte sich ein Abstandsdiskurs, der den „Sonderstatus“ der jüdischen Opfer betonte und ein gemeinsames Gedenken an die Opfer des Völkermordes an den Juden einerseits und den Sinti und Roma andererseits ablehnte.[55] Historiker betonten die Einzigartigkeit des Mordes an den Juden. Auf diese Debatten reagierte Bundespräsident Roman Herzog beim Besuch des Kultur- und Dokumentationszentrums der Sinti und Roma im März 1997, indem er darauf hinwies, dass der Völkermord an den Sinti und Roma aus den gleichen Motiven, mit dem gleichen Vorsatz und nach den gleichen Methoden „wie der an den Juden“ durchgeführt wurde.

Die Bundesregierung vertröstete den Zentralrat auf ein eigenes Denkmal in der Nähe des Brandenburger Tores. 15 Jahre kam das Projekt nicht voran. Debatten wurden darüber geführt, ob der Zentralrat legitimiert sei, für alle Sinti und Roma zu sprechen, ob nicht trotz der diskriminierenden Konnotation weiterhin von „Zigeunern“ gesprochen werden müsse und ob das Zitat von Roman Herzog trotz der Einwände verwendet werden dürfe.[56] 2007 griff der Bundesrat ein und forderte die Bundesregierung auf, seine Zusage aus dem Jahre 1992 einzulösen.[57]

Seiner thematischen Struktur entsprechend umfasst der Ort drei Zeitebenen. Während die Chronologie auf die NS-Zeit und die Zitate von Schmidt und Herzog auf die Jahrzehnte der Nicht-Anerkennung seit 1945 fokussieren, steht das Wasser, das unaufhörlich über den Beckenrad strömt, für die Gegenwart einer nicht versiegten Trauer.

Die emotionale Wirkung gewinnt ihre große Intensität durch die Authentizität der Ausdrucksmittel und die Intimität der Platzanlage. Zu den Ausdrucksmitteln gehören sehr einfache naturhafte Elemente wie das Wasser, der Stein, der an das schwarze Dreieck erinnert, das die Sinti und Roma in den Lagern markierte, und die Blume, die für die Unverwechselbarkeit jedes einzelnen Opfers steht. Zeichen für die Eigenständigkeit der Kultur der Sinti und Roma sind ein Gedicht des italienischen Roma Santino Spinelli, mit dem das Becken eingefasst ist, und eine Geigenkomposition des Sinti-Musikers Romeo Franz, die im Hintergrund zu hören ist.[58]

Die Intimität der Platzanlage ergibt sich aus der Konstruktion eines Innen der Gedenkstätte gegenüber dem Außen des öffentlichen Raums. Der Künstler Dani Karavan hat sein Denkmal in der kleinen Tiergartenlichtung platziert, die das Land Berlin für das Denkmal zur Verfügung stellte, und diese zum vorbeiführenden Parkweg hin und zum Reichstag durch Schrifttafeln abgeschlossen. Der Besucher tritt durch einen fast tunnelförmigen Eingang ein. Dort liegt das Denkmal, eingefasst von der natürlichen Kulisse der Bäume, die damit die konzentrische Ausrichtung der Anlage auf die Blume in der Mitte des Beckens verstärkt. Mit zwölf Metern Durchmesser hat das Becken eine fast gemeinschaftsstiftende Größe, die geeignet ist, eine Gruppe von Trauernden zu versammeln. Wer auf das Wasser schaut, wird feststellen, dass ihm nicht das eigene Bild zurückgeworfen wird, sondern je nach Einfallswinkel das Bild der Anderen, die um das Becken stehen, der Bäume, die die Lichtung einfassen, und schließlich des Himmels, der die ganze Anlage überwölbt, so dass der überschaubare Ort Weite und Offenheit gewinnt.

Den emotionalen Elementen stehen die bereits angesprochenen ausführlichen Informationen und die Zitate von Schmidt und Herzog gegenüber. Emotionalisierende und informierende Elemente sind von gleichem Gewicht und balancieren sich aus, so dass das Denkmal berührt, ohne zu überwältigen, und informiert, ohne zu belehren.

Auch wenn der Ort vielfältigen Anlass zum Nachdenken gibt, zum selbstreflexiven Impuls fehlt ihm das konfrontative Element, wie es besonders am Homosexuellen-Denkmal zu finden ist. Deutlicher ist der Appellcharakter der Zitate von Schmidt und Herzog. Sie sind zum Reichstag hin gewendet, zum Gesetzgeber als dem eigentlichen Repräsentanten der Republik, dessen Aufgabe es ist, der lange verfolgten Minderheit Anerkennung zu gewähren.

Die Vielschichtigkeit des Denkmals führt dazu, dass ihm eine bündige Gesamtaussage, wie sie das Denkmal für die homosexuellen Opfer formuliert, fehlt. In ihm drückt sich allgemein der Wunsch nach Anerkennung aus, die die Sinti und Roma noch immer vermissen. Insbesondere kann das Denkmal als Aufforderung an die Öffentlichkeit gesehen werden, sich mit der Geschichte der Sinti und Roma auseinanderzusetzen, die bisher noch keinen Ort im deutschen Schuldgedächtnis hat.

Die Perspektive, die das Denkmal entwirft, ist die des Zentralrats. Er hat sich über zwanzig Jahre für die Errichtung des Denkmals eingesetzt[59], zum Teil gegen erhebliche Widerstände. Der Bund hat zwar die Finanzierung übernommen, das Land Berlin hat das Grundstück zur Verfügung gestellt. Doch auf einen Wettbewerb haben Bund und Land verzichtet. Der Bund wollte keine neuerliche öffentliche Debatte über das heikle Thema der Hierarchisierung der Opfer, der Berliner Senat scheute den Aufwand eines neuerlichen Verfahrens. Der Zentralrat fürchtete weitere jahrelange Verzögerungen.[60] So ergriff er selbst die Initiative, als sich der israelische Künstler Dani Karavan anbot, das Denkmal zu entwerfen.

 

Ein Lernort in der Tradition kritischer Aufarbeitung. Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde

Die wesentlichen Gestaltungselemente sind lange Pulte als Informationsträger und als zentrales visuelles Element eine ca. 2,5 Meter hohe und 30 Meter lange blaue Glaswand, die mittig auf die schwarze Abdeckung des Areals montiert ist. Dazu kommt in geringem Abstand eine Gedenktafel aus dem Jahre 1989. In dem Erläuterungsbericht zu ihrem Entwurf hatte die Architektin Ursula Wilms der blauen Glaswand eine emotionale Qualität zugeschrieben. Sie stehe für die Erinnerung als dem verbindenden Element zwischen den Lebenden und den Ermordeten.[61] In erster Linie hat die Glaswand jedoch eine Signalfunktion gegenüber Passanten und Autofahrern.[62]

Die Bezeichnung „Gedenk- und Informationsort“ signalisiert bereits, dass es sich hier um einen neuen Typus von Erinnerungsort handelt. Er wurde – anders als die anderen vier Denkmäler – am historischen Tatort, dem Ort der Organisationszentrale für die „Euthanasie“-Morde in der Tiergartenstraße 4, errichtet und informiert über die Vernichtungsaktionen an Psychiatriepatienten und anderen Opfern im historischen Kontext.

Die Informationen reichen von den Eugenik-Debatten im 19. Jahrhundert und den „Euthanasie“-Bestrebungen in den 1920er-Jahren über die Zwangssterilisierungen und „Euthanasie“-Morde im NS bis hin zur Nachkriegszeit. Opfer- und Täterbiografien und eine Topografie der Orte, an denen in den verschiedenen Phasen des Krieges Menschen im Rahmen der „Euthanasie“ umgebracht wurden, ergänzen die Dokumentation.

Ähnlich wie bei den Homosexuellen und den Sinti und Roma ist auch hier die Geschichte nach 1945 eine der Schonung der Täter und des „Vergessens“ und der Nichtanerkennung der Opfer. Diese galten in der Logik des bundesdeutschen Entschädigungsrechts nicht als Opfer von NS-Verfolgungsverbrechen.[63] Entschädigungsforderungen von Angehörigen der „Euthanasie“-Opfer wurden mit dem Argument abgewehrt, es sei nicht wahrscheinlich gewesen, dass der Betroffene, wäre er geheilt und entlassen worden, seine Angehörigen hätte ernähren können.[64] Bei Zwangssterilisierten hieß es, sie könnten sich selbst ernähren, weil die „Minderung der Erwerbstätigkeit“ durch den Eingriff unter 25 Prozent liege.[65] Im Übrigen bestand im Falle der Zwangssterilisierungen die Auffassung, sie seien nach Recht und Gesetz erfolgt. Behinderte würden auch in Ländern wie Schweden und den USA sterilisiert, sodass die Entschädigungsfrage „keinerlei außenpolitische Relevanz“ besitze.[66]

Zwar setzte bei einigen Politikern seit den 1960er-Jahren ein Umdenken ein. Wie bei den anderen Opfern wurde in den 1980er-Jahren die Zahlung von Härteleistungen beschlossen,[67] doch für die meisten Betroffenen kam die Hilfe zu spät. 1987 gründete sich der Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten. Nun rang sich auch der Bundestag sukzessiv zur kritischen Bewertung der NS-Urteile und -Gesetze durch. Erst 2007 erfolgte die Ächtung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Es war das Jahr, in dem sich auch der Runde Tisch zur Errichtung des Gedenkortes gründete.

Zu der breiten Allianz, die den Informations- und Gedenkort gefordert, konzipiert und politisch durchgesetzt hat, gehörten außer zahlreichen Medizinhistorikern, Gedenkstättenleitern, engagierten Bürgern und Angehörigen der Opfer auch Vertreter von Behindertengruppen und -verbänden und Angehörige der dritten Generation, die die historische Thematik unter dem Blickwinkel aktueller Problemstellungen betrachten. Die Inhalte des Informationspultes wurden von dem DFG-geförderten Erkenntnistransferprojekt „Erinnern heißt gedenken und informieren“ erarbeitet.

Am Ende des Pultes wird der 1941 ermordete Karl Arendt mit den Worten zitiert: „[…] ich vor meine Wenigkeit halthe demnag als das Menschliche dasein in mier selpst auvregt.“ Dieses Zitat macht deutlich, dass das zentrale Anliegen des Gedenkortes die inklusive Ethik einer Gesellschaft ist, in der alle Menschen den gleichen Anspruch auf die Wahrung ihrer Würde besitzen. Schon die behindertengerechte Ausgestaltung mit Hörstationen und Texten in Leichter Sprache folgt der Maxime der Einbeziehung.

Zwanzig Jahre nach der Neuen Wache scheint sich in der deutschen Erinnerungskultur eine Wendung hin zu einer Historisierung in normativer Perspektive anzudeuten, die die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit für die Gegenwart fruchtbar zu machen versucht.

 

Konfligierende Erinnerungskonstruktionen

Vergleicht man die fünf Denkmäler miteinander, so fällt ein deutlicher Unterschied zwischen den Denkmälern für die anerkannten Opfer einerseits und die nicht anerkannten Opfer andererseits auf. Die Neue Wache und das Denkmal für die ermordeten Juden Europas fokussieren ausschließlich auf die Vergangenheit, gleichzeitig bedienen sich beide überwiegend emotionalisierender Gestaltungselemente.

Bei den drei Denkmälern für die vergessenen Opfer dagegen variieren jeweils Thema und zeitlicher Fokus. Das Denkmal für die verfolgten Homosexuellen thematisiert Diskriminierung auf der Ebene der Gegenwart, das Sinti-und-Roma-Denkmal dagegen den Völkermord im NS und die Diskriminierung und Nichtanerkennung in den Jahrzehnten seit Kriegsende. Zudem steht es für die anhaltende Ausgrenzung der Minderheit in der heutigen Gesellschaft. Einen ähnlichen zeitlichen Rahmen setzt der Gedenk- und Informationsort für die Opfer der „Euthanasie“-Morde, nur beginnt hier das historische Narrativ bereits in der Zeit vor dem NS. Bei allen drei Denkmälern fallen – wenn auch mit unterschiedlichen Akzentsetzungen – informierende und reflexive Elemente auf, die sich in besonderer Weise dazu eignen, an die Täter und an die Zeit nach dem Ende des NS zu erinnern.

Die Denkmäler für die anerkannten und die für die vergessenen Opfer unterscheiden sich ferner in der Frage, welche Akteure entscheidend für die inhaltliche Gestaltung der Denkmäler waren. Über die Umgestaltung der Neuen Wache entschied allein Bundeskanzler Kohl. Sein Votum war auch beim Denkmal für die ermordeten Juden entscheidend. Die drei anderen Denkmäler wurden zwar vom Bund finanziert, die Gestaltungen überließ er aber weitgehend den Opferverbänden selbst. Erst dadurch wurde den Opfern ermöglicht, mit ihren Denkmälern auf ihre Geschichte aufmerksam zu machen.

Aus diesen Divergenzen erklärt sich die breite typologische Vielfalt der Denkmäler. Die Neue Wache ist als reines Opferdenkmal angelegt, mit dem der verschiedensten Opfergruppen, jedoch aus der Sicht nur der deutschen Opfergruppe, gedacht wird. Auch das Denkmal für die ermordeten Juden Europas ist ein Opferdenkmal, doch bleibt die Frage der Perspektive, aus der es konzipiert ist, offen. Der unterirdische Informationsannex kann daran nichts ändern. Das Denkmal für die verfolgten Homosexuellen ist typologisch ein Täterdenkmal aus der Opferperspektive, doch definieren die Opfer sich selbst nicht mehr als Opfer und die Täter nicht als „die Nazis“, sondern als gesellschaftliche Mehrheit. Das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma ist ein Opferdenkmal aus der Sicht der Opfer, die sich noch heute als Opfer von Diskriminierung und Nichtanerkennung verstehen. Der Gedenkort für die Opfer der „Euthanasie“-Morde informiert aus einer inklusiven zivilgesellschaftlichen Perspektive, die nicht notwendig allein die der Opfer ist.

Die Ursache für die Zweiteilung des Ensembles in anerkannte und „vergessene“ Opfer scheint zunächst in dem Umstand zu liegen, dass die Denkmäler für die anerkannten Opfer jeweils auf einem bereits seit Jahrzehnten etablierten Opferdiskurs aufbauen, der bei den anderen Gruppen weitgehend fehlt. Die Akteure, ob Vertreter der Opfergruppen selbst oder wie im Fall des T4-Gedenkortes zivilgesellschaftliche Allianzen, mussten und müssen ihn erst entwickeln. Daher besteht zwischen der Sichtweise der Denkmäler für die anerkannten und der für die „vergessenen Opfer“ ein Zeitsprung von einer Generation.

Man würde die Bedeutung der Denkmäler für die „vergessenen“ Opfer unterschätzen, sähe man sie einzig in der Tatsache, dass der Bund nun auch diesen Opfergruppen einen zentralen Ort der Erinnerung geschaffen hat. Die entscheidende erinnerungspolitische Leistung der drei Denkmäler liegt vielmehr im Bruch mit der Erinnerungskonstruktion der Neuen Wache. Zum einen etablieren sie einen erweiterten Täterbegriff. Dieser umfasst nicht mehr allein die Angehörigen der politischen Führung und der Terrorapparate des Regimes. Es wird vielmehr das gesellschaftliche Umfeld beleuchtet, die Einstellungen breiter Schichten der deutschen Bevölkerung, die viele Taten deckten. Beispiel für diesen Blickwinkel ist das Denkmal für die im NS verfolgten Homosexuellen. Zum anderen blenden die Denkmäler nicht länger die langen geschichtlichen Kontinuitäten aus, in die die Verbrechen einzuordnen sind. Das Denkmal für die „Euthanasie“-Morde erinnert an frühe Diskurse einer Aussonderung von behinderten Patienten, das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma an die Nichtanerkennung und Diskriminierung dieser Minderheit nach dem Krieg. Alle drei Denkmäler tragen anders als noch das Denkmal für die ermordeten Juden Europas zu einer neuen Sicht auf die deutsche Vergangenheit bei.

In den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg hielten viele Deutsche den Nationalsozialismus für den Einbruch einer unbegreiflichen Katastrophe in die deutsche Geschichte, als deren Opfer sie sich vor allem selber sahen. Heute dagegen lassen sich die Deutschen der damaligen Zeit angesichts des gewachsenen Wissens um den Nationalsozialismus nicht mehr umstandslos den Opfern zurechnen. Die Aufklärung über ihre Verstrickung in die Geschichte des Regimes bleibt weiterhin unverzichtbar. Es ist davon auszugehen, dass es zur Errichtung weiterer Denkmäler kommt. Eine Initiative für einen Gedenkort für die Opfer des Vernichtungskrieges gibt es bereits.

(zuerst erschienen in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Ausgabe 62 (2014) 11, S. 881-900)

 

Anmerkungen:

[1]Einzig die Neue Wache ist auch anderen Opfern als denen nationalsozialistischer Verbrechen gewidmet.

[2]Zur Geschichte des Kriegsopfergedenkens in der Bundesrepublik nach 1945 vgl. Alexandra Kaiser, Von Helden und Opfern. Eine Geschichte des Volkstrauertages, Frankfurt 2010, S. 210–403.

[3]Helmut Kohl, Gespräch mit Patrick Bahners und Frank Schirrmacher, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. 9. 1998.

[4]Vgl. Sabine Moller, Die Entkonkretisierung der NS-Herrschaft in der Ära Kohl. Die Neue Wache. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Hannover 1998, S. 31–39.

[5]Christoph Stölzl, Interview des Autors, Weimar 7. 10. 2013.

[6]Es gab zwar eine Bundestagsdebatte am 14. Mai 1993, doch waren zu diesem Zeitpunkt die wesentlichen Planungsentscheidungen bereits getroffen und einzelne Aufträge bereits vergeben, so der Auftrag für den Guss der Kollwitz-Skulptur. Siehe Christine Fischer-Defoy Aussagen in Schwierigkeit zu trauern. Gespräch zur Zukunft der Neuen Wache, in: Akademie der Künste, Berlin (Hrsg.), Streit um die Neue Wache. Zur Gestaltung einer zentralen Gedenkstätte, Berlin 1993, S. 54–81, hier S. 62.

[7]Alexandra Kaiser erwähnt, dass bereits Brandt 1973 die Formel „den Opfern von Krieg und Gewalt“ verwendete, allerdings im Rahmen eines differenzierten Nekrologs. Vgl. Kaiser, Von Helden und Opfern, S. 275 f.

[8]Deutscher Bundestag, 12. WP,  159. Sitzung, 14. Mai 1993, S. 13449.

[9]Auf der Demonstration am 14.11.1993 zeigte ein Demonstrant ein Schild, das deutsche Einsatzkräfte bei der Erschießung einer Frau zeigt und mit „Alles Opfer?“ überschrieben war. Vgl. Robert Halbach (Hrsg.), Nationaler Totenkult. Die Neue Wache. Eine Streitschrift zur zentralen deutschen Gedenkstätte, Berlin 1995, S. 54 und 182.

[10]Helmut Kohl, Gespräch, in: FAZ, 17. 9. 1998.

[11]Christoph Stölzl, Interview des Autors, Weimar 7. 10. 2013.

[12]Vgl. Kaiser, Von Helden und Opfern, S. 288–291.

[13]Vgl. Stefanie Endlich, Zurück in die Fünfziger? Die Neue Wache – ein alter Hut! in: Halbach (Hrsg.), Nationaler Totenkult, S. 11–24.

[14]Adenauer, Konrad, Rede vor Studenten im Chemischen Institut der Universität Bonn. 21. Juli 1948, in: Hans-Peter Schwarz (Hrsg.): Konrad Adenauer. Reden 1917–1967. Eine Auswahl, S. 107­–122, hier: S. 119.

[15]Constantin Goschler, Schuld und Schulden. Die Politik der Wiedergutmachung für NS-Verfolgte seit 1945, Göttingen 2005, S. 139.

[16]Christoph Stölzl, Interview des Autors, Weimar 7. 10. 2013.

[17]Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.), Künstlerischer Wettbewerb. Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Ausschreibung, Berlin April 1994, in: Ute Heimrod/Günter Schlusche/Horst Seferenz (Hrsg.), Der Denkmalstreit – das Denkmal? Die Debatte um das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“. Eine Dokumentation, Berlin 1999, S.169–216, hier S. 177.

[18]www.stiftung-denkmal.de, abgerufen am 22. 2. 2014.

[19]Lea Rosh, Von der Idee zur Entscheidung. Ein langer Weg, in: dies. (Hrsg.), „Die Juden, das sind doch die anderen“. Der Streit um ein deutsches Denkmal, Berlin/Wien 1999, S. 13­–151, hier S. 15.

[20]Aufruf der Bürgerinitiative „Perspektive Berlin“ vom Januar 1990, zitiert in: Rosh, Von der Idee zur Entscheidung, S. 20.

[21]Vgl. Matthias Haß, Das Aktive Museum und die Topographie des Terrors, Berlin 2012, S. 29 und 44–53.

[22]Vgl. Eberhard Jäckel, Hitlers Herrschaft. Vollzug einer Weltanschauung, Stuttgart 1999. Zur Sicht des Förderkreises um Lea Rosh vgl. Heimrod/Schlusche/Seferenz (Hrsg.), Der Denkmalstreit – das Denkmal?, S. 662.

[23]Vgl. Ignatz Bubis mit Peter Sichrovsky, „Damit bin ich noch längst nicht fertig.“ Die Autobiographie, Frankfurt am Main 1996, S. 263.

[24]Abgeordnetenhaus Berlin, 12. WP, 61. Sitzung am 27. 1. 1994. Das Land Berlin nahm so gut wie keinen Einfluss auf das Denkmalprojekt.

[25]Stefanie Endlich/Rainer Höynck: „Resignative Grundhaltung von Schadensbegrenzung“. Noch keine Entscheidung für das Berliner Holocaust-Mahnmal, in: Aufbau, New York, 3. 7. 1998.

[26]Heimrod/Schlusche/Seferenz (Hrsg.), Der Denkmalstreit – das Denkmal? S. 882.

[27]Peter Eisenman, Erfahrung am eigenen Leib. Der Architekt Peter Eisenman über die Walser-Debatte und die neue Kritik an seinem Entwurf für das Holocaust-Mahnmal. Ein Gespräch mit Hanno Rautenberg, in: DIE ZEIT, 10. 12. 1998.

[28]Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.), Künstlerischer Wettbewerb, S. 215.

[29]Vgl. Sibylle Quack/Dagmar von Wilcken, Der Mord an den Juden als Ausstellungsprojekt. Widerstreit von Thematik, Konzept und Gestaltung im Ort der Information, in: Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas (Hrsg.), Materialien zum Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Berlin 2007, S. 40–49.

[30]Peter Conradi, Informationsbrief 25. 3. 1998, in: Heimrod/Schlusche/Seferenz (Hrsg.), Der Denkmalstreit – das Denkmal?, S.1039. Solche Vorbehalte bestanden offensichtlich auch bei den beiden anderen Auslobern.

[31]Christoph Stölzl, Interview des Autors, Weimar 7. 10. 2013.

[32]Staatsminister beim Bundeskanzler Anton Pfeifer, Presseerklärung, 22. Mai 1998, in: Heimrod/Schlusche/Seferenz (Hrsg.), Der Denkmalstreit – das Denkmal? S. 1052.

[33]Peter Eisenman, Interview des Autors, New York 15. 4. 2014.

[34]Lea Rosh, Die Ermordeten zurückholen, Interview, in: Die Tageszeitung, 6. 4. 1995.

[35]Vgl. „Streit um einen Zahn“, in: Die Tageszeitung, 12. 5. 2005. Der Plan scheiterte daran, dass die Entfernung des Zahns aus dem Vernichtungslager von jüdischer Seite als Sakrileg betrachtet wurde.

[36]Peter Eisenman, Interview des Autors, New York 15. 4. 2014.

[37]Peter Eisenman in conversation with Peter Engelmann, Part 2, Deutsches Haus at New York University am 28. 2. 2012. http://www.youtube.com/watch?v=3RxMxpZNr5M, abgerufen am 6. 4. 2014.

[38]Peter Eisenman, Architecture Matters, Vanderbilt Chancellor’s Lecture Series, September 2005, http://www.youtube.com/watch?v=AJMMnb0qrXA, abgerufen am 5. 4. 2014.

[39]Christian Reimesch, Vergessene Opfer des Nationalsozialismus? Zur Entschädigung von Homosexuellen, Kriegsdienstsverweigerern, Sinti und Roma und Kommunisten in der Bundesrepublik, Berlin 2003, S. 36.

[40]Goschler, Schuld und Schulden, S. 126.

[41]Vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Wiedergutmachung und Entschädigung für nationalsozialistisches Unrecht. Öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 24. Juni 1987, Bonn 1987.

[42]Dieser Automatismus wurde vor allem von Sprechern der Unionsfraktion abgelehnt. Nicht zuletzt um „Folgeentscheidungen für die Errichtung weiterer Denkmäler für andere Opfergruppen“ (Norbert Lammert) zu vermeiden, votierten 40 Prozent aller Abgeordneten, darunter die große Mehrheit der Unionsfraktion, noch bei der entscheidenden Abstimmung im Bundestag im Juni 1999 dafür, das geplante Denkmal den ermordeten Juden Europas „und alle(n) Opfern der nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu widmen. Deutscher Bundestag, 14. WP, 48. Sitzung am 25. Juni 1999, S. 4089 und 4126-4129. Vgl. auch Günter Nookes Aussagen bei der Bundestagsdebatte zum Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, Deutscher Bundestag, 15. WP, 83. Sitzung am 12. Dezember 2003, S. 7342.

[43]Zitiert nach Hans-Georg Stümke, Wiedergutmachung an homosexuellen NS-Opfern von 1945 bis heute, in: Burkhard Jellonnek/Rüdiger Lautmann (Hrsg.), Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle. Verdrängt und ungesühnt, Paderborn 2002, S. 329­–338, hier S. 334.

[44]Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10. 5. 1957, Rdnr. 168.

[45]Ebenda, Rdnr. 173. Das Gericht zitierte dabei einen Entwurf des Strafgesetzbuches aus dem Jahre 1919.

[46]Vgl. Hans-Georg Stümke, Homosexuelle in Deutschland. Eine politische Geschichte, München 1989, S. 127 und 146.

[47]Martin Dannecker, Der glühende Wunsch nach Anerkennung und die Affirmation der Differenz. Von den Homophilen der Nachkriegszeit zur Schwulenbewegung der 1970er Jahre, in: Andreas Pretzel/Volker Weiß (Hrsg.), Ohnmacht und Aufbegehren. Homosexuelle Männer in der frühen Bundesrepublik, S. 231–241, hier S. 239­–240.

[48]Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Kunst im Stadtraum und am Bau, Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Dokumentation des Auftaktkolloquiums am 7. und 8. April 2005 im Abgeordnetenhaus Berlin. Berlin August 2005, S. 149.

[49]Das zweite Video zeigt neben Schwulen auch Lesben. Die Thematisierung der weiblichen Homosexualität geht auf die Intervention der Feministin Alice Schwarzer zurück und wurde von Gedenkstättenleitern kritisiert, weil Lesben im NS in der Regel nicht aufgrund ihrer Sexualität verfolgt wurden. Vgl. Stefanie Endlich, Das Berliner Homosexuellen-Denkmal. Kontext, Erwartungen und die Debatte um den Videofilm, in: Insa Eschebach (Hrsg.), Homophobie und Devianz. Weibliche und männliche Sexualität im Nationalsozialismus, Berlin 2012, S. 167–186, hier S. 183–185; Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland, http://www.gedenkort.de/hin-ag190507.htm, abgerufen am 21. 2. 2014.

[50]Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, S. 149.

[51]Zitiert nach Iulia-Karin Patrut, Antiziganismus/Opferkonkurrenz, in: Torben Fischer/Matthias N. Lorenz (Hrsg.), Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945, Bielefeld 2007, S. 313–320, hier S. 315.

[52]Vgl. Daniel Strauß, Zur Nachkriegsgeschichte der Sinti und Roma in Deutschland. In: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.), Zwischen Romantisierung und Rassismus. Sinti und Roma 600 Jahre in Deutschland. Stuttgart 1998, S. 26­–34.

[53]Zur Entwicklung der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma in der Bundesrepublik vgl. Kathrin Reemtsma, Sinti und Roma. Geschichte, Kultur, Gegenwart, München 1996, S. 136–144.

[54]Der in den siebziger Jahren verstärkt aufkommende Völkermorddiskurs in der Bundesrepublik wurde nicht zuletzt von der Gesellschaft für bedrohte Völker, die wichtige Unterstützung bei der Gründung des Zentralrats der Deutschen Sinti und Roma leistete, voran getrieben. Vgl. 40 Jahre Gesellschaft für bedrohte Völker, in: bedrohte Völker (pogrom), Sonderheft, Nr. 251, 2008, H. 6.

[55]Gilad Margalit, Die Nachkriegsdeutschen und „ihre Zigeuner“. Die Behandlung der Sinti und Roma im Schatten von Auschwitz, Berlin 2001, S. 233 et passim.

[56]Vgl. Eberhard Jäckel, Wider zwei Legenden über den Holocaust, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. 6. 2000; Michael Zimmermann, Die nationalsozialistische Verfolgung der Juden und „Zigeuner“. Ein Vergleich, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 52,1 (2004), S. 50–71.

[57]Vgl. Bundesrat, 840. Sitzung, 20. 12. 2007.

[58] Vgl. Stefanie Endlich, „Homage to the Sinti and Roma“, in: Kulturwerk des berufsverbandes bildender künstler berlin (Hrsg.), kunststadt stadtkunst 60 (2013), S. 24–25.

[59]Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstrich die Autorenrolle des Zentralrats, indem sie bei der Eröffnung des Denkmals Romani Rose für seinen unermüdlichen Einsatz dankte. Vgl. http://m.bundesregierung.de/ContentArchiv/DE/Archiv17/

Reden/2012/10/2012-10-24-merkel-denkmal.html, abgerufen am 10. 6. 2014.

[60]Romani Rose, Interview des Autors, Berlin 15. 7. 2013.

[61]Vgl. Der Regierende Bürgermeister von Berlin. Senatskanzlei Kulturelle Angelegenheiten, Gestaltungswettbewerb Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde am Ort der Planungszentrale, Tiergartenstraße 4 in Berlin. Bericht der Vorprüfung zur Sitzung des Preisgerichts am 22. und 23. November 2012, Berlin September 2012, S. 54. Der Gedenk- und Informationsort soll im September 2014 der Öffentlichkeit übergeben werden. Die folgende Darstellung stützt sich daher auf die Planungsunterlagen des Landes Berlin als Auslober, der Entwerferin Ursula Wilms, der zivilgesellschaftlichen Akteure und der für die inhaltliche Gestaltung der Informationen verantwortlichen Historiker.

[62]A Ursula Wilms bei einer Präsentation des Entwurfs am 29. 1. 2013 auf der Veranstaltung „NS-„Euthanasie“-Verbrechen in europäischer Perspektive.“ Konferenz vom 28.–30. Januar 2013 in Berlin. Persönliche Aufzeichnung des Autors.

[63]Vgl. § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG).

[64]Vgl. Deutscher Bundestag, 10. WP, Drucksache 10/6287, 31.10.1986, S. 17 und 38.

[65]Vgl. ebenda, S. 17 und 37, i. Vbdg. m. § 31 BEG.

[66]Henning Tümmers, Anerkennungskämpfe. Die Nachgeschichte der nationalsozialistischen Zwangsterilisationen, Göttingen 2011, S. 138.

[67]Zwischen Anfang der 1980er Jahre und 2003 erhielten 181 „Euthanasie“-Geschädigte Härtefallleistungen, vgl. Stefanie Westermann,  Der verweigerte Blick in den Spiegel – NS-„Euthanasie“-Opfer und Wir, in: dies./Richard Kühl/Tim Ohnhäuser (Hrsg.), NS-„Euthanasie“ und Erinnerung. Vergangenheitsaufarbeitung – Gedenkformen – Betroffenenperspektiven, Berlin 2011, S. 231–244, hier S. 237. Für Angaben über Zwangssterilisierte bis zum Jahr 2006 vgl. Tümmers, Anerkennungskämpfe., S. 295 und 298–300.

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