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20 Jahre Bundesdenkmalpolitik

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Icon_52_Rand_orangeGegenstand der Studie sind die fünf Denkmäler, die der Bund in den letzten 20 Jahren in Berlin zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus errichtet hat: die Neue Wache, das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, die Denkmäler für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen und für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas und den Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde.

Obwohl das Ensemble auf den ersten Blick als bilanzierende Stellungnahme der wiedervereinigten Republik zu ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit erscheint, erweist die nähere Analyse, dass die Erinnerungskonstruktionen der fünf Denkmälern disparat sind und das Ensemble viele Fragen offen lässt. Zu diesem Befund gelangt die Studie, indem sie die Gestaltungsmerkmale der Denkmäler miteinander vergleicht und aus den Opferdiskursen und -politiken der „langen Entstehungsgeschichte“ seit 1945 sowie den Geschichtsbildern und politischen Intentionen derjenigen Akteure erklärt, die an der Errichtung des Denkmals unmittelbar beteiligt waren.

Bedeutende Unterschiede ergeben sich zwischen den Denkmälern für die anerkannten und „vergessenen“ Opfer. Die Denkmäler für die anerkannten Opfer – die Neue Wache und das Denkmal für die ermordeten Juden – fokussieren ausschließlich auf der Vergangenheit und bedienen sich überwiegend emotionalisierender Gestaltungselemente. In ihnen kommt ein noch auf die Adenauer-Ära zurückgehendes Geschichtsbild zur Geltung, das die Deutschen als Opfer des NS verstand und nur die Juden als verfolgte Minderheit anerkannte. Dagegen beziehen die Denkmälern für die „vergessenen Opfer“ die Vor- und Nachgeschichte des NS mit ein und thematisieren, wie im Fall des Homosexuellen-Denkmals, auch auf der Ebene der Gegenwart diejenigen Einstellungen, die zur Ausgrenzung während des NS führten. Die entscheidende erinnerungspolitische Leistung dieser Denkmäler, so die Studie, besteht in dem Bruch mit den konservativen Erinnerungskonstruktionen. Sie etablieren einen erweiterten Täterbegriff, der sich nicht auf Angehörige der NS-Führung und ihre Terrorapparate beschränkt. Vielmehr beleuchten sie das gesellschaftliche Umfeld und damit die Einstellungen breiter Schichten der deutschen Bevölkerung, die viele Taten deckte. Zum anderen blenden sie nicht länger die langen geschichtlichen Kontinuitäten aus, in die die Verbrechen einzuordnen sind.

 

Veröffentlichung: Volker Wild in Zusammenarbeit mit Jan Ferdinand: 20 Jahre Bundesdenkmalpolitik zum Nationalsozialismus. Von der Neuen Wache zum Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 62 (2014) 11, S. 881-900. Der Volltext ist hier abrufbar.

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